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Eine Rezension des Buches „Täglich grüßt das Schuldgefühl. Wieso mit dem ersten Kind auch das schlechte Gewissen einzieht ... und wie du die negativen Gefühle loswirst.“ von Michèle Liussi und Katharina Spangler (2022)

Könnt ihr euch noch erinnern, welche Bücher ihr zur Geburt eures 1. Kindes bekommen habt? Als im Jahr 2016 meine Tochter auf die Welt kam, schenkten mir meine Freundinnen Bücher wie „Oje ich wachse“ oder das unvermeidliche (und in meinen Augen ebenso unsägliche) „Jedes Kind kann schlafen lernen“. „Babyjahre“ von Remo Largo war noch eins von den Guten. Was ich damals aber wirklich gebraucht hätte, in dieser Zeit, die so herausfordernd war, wie vorher und nachher keine Phase meines Lebens, wäre das Buch gewesen, um das es in dieser Rezension geht: „Täglich grüßt das Schuldgefühl. Wieso mit dem ersten Kind auch das schlechte Gewissen einzieht ... und wie du die negativen Gefühle loswirst.“ von Michèle Liussi und Katharina Spangler, erschienen 2022 bei Humboldt.

Michèle Liussi ist Psychologin und Familienbegleiterin bei den „Frühen Hilfen“. Dort unterstützt sie Frauen, die im ersten Jahr ihrer Mutterschaft unter starken (psychischen) Belastungen leiden. Sie ist Mutter eines Sohnes und lebt in Tirol. Katharina Spangler arbeitet als selbstständige Lektorin und Texterin in Süddeutschland. Nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes erkrankte sie an einer Wochenbettdepression. Gemeinsam setzen sie sich mit ihrem Projekt „Mamafürsorge“ dafür ein, psychische Erkrankungen bei Müttern ins Gespräch zu bringen und zu enttabuisieren.

Das Buch ist ein Ratgeber für Mütter, der dabei helfen soll, „mit dem täglichen Strudel aus Schuldgefühlen, den das Mama-Sein auslöst, besser klarzukommen“. Hierfür gehen die Autorinnen nicht nur ausführlich und auch fachlich fundiert auf das Phänomen des Schuldgefühls näher ein. Sie führen auch zwei Figuren ein, die die Leser:innen durch das ganze Buch begleiten: InKrit, die innere Kritikerin und VERA, die innere Freundin. Die beiden Figuren machen in ihren Dialogen, die jeweils an den Kapitelenden stehen, innere Gespräche hörbar, die wir alle kennen, und die oft von inneren Konflikten geprägt sind. Manchmal ist die Stimme der inneren Kritikerin auch ein Zitat der Kritik, die wir von außen bekommen haben. Das hört sich im Buch z. B. so an:

„InKrit: Na, hat das Baby wieder die ganze Nacht geschrien? Kein Wunder, sie hat wirklich keine Ahnung, wie das geht, dieses Mamasein.
VERA: Sie weiß sicher nicht alles, aber sie lernt dazu. Die beiden müssen sich aneinander gewöhnen. Sie ist für das Kleine da, wenn es schreit, das ist das Wichtigste.
InKrit: Aber sie hätte sich schon ein bisschen besser vorbereiten können auf ihre Aufgabe.
VERA: Sie tut ihr Bestes und alle Bücher dieser Welt können dich nicht hundertprozentig darauf vorbereiten, wie es ist, plötzlich für einen kleinen Menschen verantwortlich zu sein.
InKrit: Aber müsste sie das nicht wissen, so rein intuitiv? Wieso hört sie nicht auf ihr Bauchgefühl?
VERA: Sie hört schon hin, aber sie überlegt auch, ob es recht hat. Schließlich wurde das über die Zeit auch mit ziemlichem Unsinn gefüttert. Auch hier braucht es Geduld.
InKrit: Und was, wenn sie einen Fehler macht?
VERA: Dann lernt sie daraus. Das Baby ist noch so klein, sie kennt seine Grundbedürfnisse: Nahrung, Liebe, Nähe und Schlaf. Was ihm in der jeweiligen Situation am besten hilft, finden sie gemeinsam raus.
InKrit: Das klingt aber alles andere als perfekt.
VERA: Ja, zum Glück! Gut genug reicht völlig. Schon der bekannte Pädagoge Jesper Juul hat gesagt: Perfekte Eltern sind ein Albtraum.“ (Liussi & Spangler, 2022)

Wo nur allzu oft die innere Kritikerin das letzte Wort hätte, führt das Buch den Dialog also in einer Art und Weise fort, die von Selbstmitgefühl geleitet ist. Und dort liegt denn auch der Schlüssel: Üben wir ein mitfühlendes (nicht mitleidiges) inneres Selbstgespräch, reduzieren wir Stress. Durch achtsames Registrieren der eigenen Gefühle lernen wir mit der Zeit, freundlicher mit uns umzugehen. Wir können uns entspannen und in einem Zustand der inneren Souveränität entscheiden, was jetzt wirklich wichtig ist, und was wir getrost vernachlässigen oder überhaupt sein lassen können. So hat ungesunder Perfektionismus weniger Angriffsfläche, wir sind weniger beeinflussbar und das Familienleben wird einfacher. Dass unsere Kinder davon profitieren, ist eine logische Folge – geht es den Eltern gut, geht es auch den Kindern besser.  

So werden etliche relevante Themen, die bei Müttern Schuldgefühle auslösen können, behandelt:  Von Wochenbett bis Partnerschaft und von richtiger Ernährung der Kinder bis zum heiklen Thema Medienkonsum. Die abschließenden Dialoge von InKrit und VERA liefern Blaupausen, wie wir innerer oder auch äußerer Kritik begegnen können. Bonus: Das Üben von Selbstmitgefühl hilft bei allen Schuldgefühlen, nicht nur bei solchen in Zusammenhang mit Familie und Kindern. 

Als nicht mehr ganz junge Mutter von zwei jungen Kindern (6 und 3) hat mir dieses Buch etliche neue Perspektiven eröffnet, und dies sogar bei scheinbar simplen Themen wie der leidigen Frage, wieviel Fernsehen in Ordnung ist. Dabei teilen die Autorinnen keine Rezepte aus, sondern führen die Leserin zu einer neuen, differenzierten und selbstfürsorglichen Sicht der Dinge. Das alles fachlich fundiert, übersichtlich strukturiert und sehr leicht zu lesen. Praktische Übungen, Tipps, ergänzendes Download-Material, Gastbeiträge von Expert:innen und Hinweise zu weiterführender Literatur runden den Ratgeber ab.

Ich mag dieses Buch allen Freundinnen mit Kindern schenken, und vor allem jeder Frau empfehlen, die vor dieser einschneidendsten Veränderung ihres Lebens steht. Wir gehen alle brav zum Geburtsvorbereitungskurs und denken so viel über die Geburt nach, aber das, was danach kommt, soll von alleine klappen. Dabei ist die Geburt – so wichtig und einschneidend sie auch ist – doch nur der Anfang von einer großen Aufgabe, die uns den Rest unseres Lebens fordert und manchmal auch überfordert. Dieses Buch ist wie eine liebe Freundin, die ehrlich erzählt, wie es wirklich ist, Kinder zu haben. Mit der man lachen und weinen kann, über all die schwierigen und schönen Dinge, die einem als Eltern widerfahren. Und die nicht mit gutgemeinten Ratschlägen den Druck erhöht, sondern diesen Druck mit wirklich guten Tipps liebevoll rausnimmt. 

Bildnachweis: Anna Shvets / Pexels 

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